Ein Thema, das immer wieder in Beratungen zum Beziehungs-Thema auftaucht, ist emotionale Erpressung. Es gibt mehrere Möglichkeiten, diese auszuüben, in diesem Artikel soll es jedoch nur um den Umgang mit passiver Aggression, dem Zurückziehen, dem Nicht-Sprechen, dem Ignorieren des Partners gehen.
Kennst Du das? Dein Partner und Du ihr habt einen Interessenskonflikt, Du stellst Deine Bedürfnisse klar heraus, beziehst Stellung. Aber anstatt zu sprechen, eine einvernehmliche Lösung zu finden, steht er auf und geht. Lässt vielleicht noch einen Satz im Raum stehen und dann war es das. Für Stunden oder sogar für Tage. In Ausnahmefällen sogar für Wochen.
Nachdem sich Deine anfängliche Verwunderung gelegt hat, beginnst Du Dich zu fragen, was Du falsch gemacht hast. Du versuchst, wieder ins Gespräch zu kommen, gehst ihm nach, entschuldigst Dich gar. Doch er sieht durch Dich hindurch und sagt kein Wort. Du resignierst und hoffst, dass alles wieder gut wird, wenn er sich beruhigt hat. Doch das passiert nicht, Du bist und bleibst Luft.
Eine unbehagliche Atmosphäre macht sich breit, die Luft ist zum Schneiden und Deine Schuldgefühle werden immer stärker. Allerdings weißt Du nicht einmal, was es tatsächlich war, das Du falsch gemacht hast. Du zermarterst Dir das Hirn und bist auf Spekulationen angewiesen. Du flehst, weinst und würdest alles geben, doch Du stößt auf eine Mauer des Schweigens.
Nach einer gewissen Zeit normalisiert sich sein Verhalten wieder, aber über das Thema wird nicht gesprochen. Du bist dennoch erleichtert und glücklich, aber es bleibt eine Verunsicherung. Vor allem, wenn dann wieder ähnliche Situationen auftauchen. Dann sagst Du vielleicht lieber nichts, da Du erneutes Schweigen fürchtest. Und schon nimmst Du Dich zurück, bist nicht mehr Du selbst und wagst es nicht mehr, für Dich einzustehen. Unmerklich hat ein Ungleichgewicht in die Beziehung Einzug gehalten.
Betroffene erklären häufig, dass es ihnen lieber gewesen wäre, der Andere hätte sie angeschrien oder wäre anderweitig aus sich heraus gegangen, als über Tage ignoriert zu werden.
Doch wie gelingt es, mit demonstrativem Schweigen und Ignoranz eine solche Macht auszuüben?
Zum einen entsteht hier ein deutliches Ungleichgewicht, ein Machtgefälle. Der Partner entscheidet, dass die Unterhaltung nicht weitergeführt wird und bezieht Dich nicht in seine Entscheidung ein.
Zum anderen regen sich genetisch uralte Ängste: Wer von der Gemeinschaft oder vom Partner ausgestoßen wurde, der war im schlimmsten Fall sogar in Lebensgefahr. Es ist der gleiche Mechanismus, der auch beim Mobbing greift. Bei Ausschluss aus der Gemeinschaft wird im Gehirn unter anderem das Schmerzzentrum aktiviert, genauso wie bei körperlichen Schmerzen.
Warum macht er das?
Es kann sich um familiäre Beziehungsmuster handeln. Um eine Unfähigkeit sich emotional auszudrücken. Oder um Angst vor Nähe. Im besten Fall, denn dann lässt sich bei echter Einsicht an diesem Muster arbeiten. Im schlechtesten Fall geht es schlicht um Ausübung von Macht. Es ist aber zunächst wirklich egal, welche Motive und Beweggründe bei Deinem Partner dahinterstecken, denn allzu viel Verständnis deinerseits verhindert eine wirkliche Auseinandersetzung mit den Gefühlen, die bei Dir entstehen. Namentlich Schmerz, Schuld und langfristig ein schlechtes Selbstwertgefühl und ein dauerhaftes Machtgefälle in Eurer Beziehung. Du befindest Dich dann auf dem besten Weg in eine überaus toxische Beziehung, da Du fortwährend aufpassen musst, was Du sagst und tust. Es wird Dir unmerklich immer schwerer fallen, Dich abzugrenzen und für Dich einzustehen. Das ist Gift für Dein Wohlbefinden und Deinen Selbstwert.
Was kannst Du tun?
Es ist wichtig, dass Du dem Partner ein Angebot machst: Lass uns drüber reden. Wenn er Dein Angebot nicht annimmt, wiederhole es nicht. Er (oder sie) ist erwachsen, er trifft seine eigenen Entscheidungen, die Du akzeptieren solltest. Hier geht es auch um das Thema Stolz: Wie würdest Du Dich fühlen, wenn Du mehr oder weniger bettelst? Lasse Dich auf diese Machtausübungen nicht ein, denn mitunter geht es tatsächlich darum, Dich zu „brechen“, auch wenn er das nie zugeben würde. In dem Moment, in dem Du abhängig bittest, bettelst, weinst, usw. spielst Du das Spiel mit.
Das ist zunächst schwer, denn es bedeutet, dass Du Deine gewohnten Reaktionen verändern musst. Dinge, die vielleicht aus der Kindheit getriggert werden, sind da ziemlich starke Auslösereize. Nicht wenige KlientInnen erinnern sich darauf angesprochen, dass sie ähnliche Erfahrungen bereits mit Vater oder Mutter machen mussten. Es ist wichtig, solche Zusammenhänge zu untersuchen, um die starken Gefühle zu rationalisieren und auf Dauer abzubauen.
Auch wenn Du schon länger in einer solchen Beziehung bist und diese Verhaltens-Kreisläufe Euch beiden bestens bekannt und eingespielt sind, solltest Du Dich um eine Veränderung bemühen. Im Sinne Eurer Beziehung oder zumindest um Dich um Dich zu kümmern und Dein eventuell schon angeschlagenes Selbstwertgefühl sukzessive wieder aufzubauen. Veränderungen in eingespielte dysfunktionale Kreisläufe führst Du am besten mit kleinen Veränderungen ein. Spiele Deine Rolle in diesem Stück nicht mehr.
In die Beobachter-Rolle gehen
Um dies zu erreichen, ist es hilfreich in die Rolle des Beobachters zu wechseln: Sei ein Verhaltensforscher und schau Dir Euer beider Verhaltensmechanismen an. Allein dieser Wechsel der Perspektive ist besonders hilfreich, da damit erreicht werden kann, dass Du Dich nicht mehr schuldig und schlecht fühlst.
Wenn Du üblicherweise „zu Kreuze“ kriechst, mach es nicht. Auch dies gelingt eher, wenn Du daraus ein Experiment machst: Wenn es beim ersten Mal 2 (gefühlt unendliche) Tage gedauert hat, bis Dein Partner wieder das Wort an Dich gerichtet hat, dann könnte es sein, dass es beim nächsten Mal nur noch einer ist. Beobachterrolle! Nicht nur geht es Dir in dieser Rolle viel besser, Du sorgst auch für Irritation beim Gegenüber. Wenn der Effekt ausbleibt, unterlässt er evtl. langfristig solche Machtspiele.
Allerdings halte ich es langfristig für unabdingbar, dass Ihr in einem ruhigen Moment und ohne Schuldzuweisungen in Ich-Botschaften über diese Verhaltensweisen sprecht. Wenn dazu absolut keine Bereitschaft da ist, ist möglicherweise die Beziehung in Frage gestellt werden.
Was kannst Du noch tun:
Du brauchst Menschen, mit denen Du sprechen kannst. Menschen, die auf Deiner Seite sind und Dich hinsichtlich Deiner Verhaltensänderung bestärken. Entweder Freunde oder Psychologen und Coaches. Beides findest Du am schnellsten online. Warum ist das so wichtig? Weil man in diesen Situationen gerne mal das Gefühl dafür verliert, was richtig und was falsch ist. Weil man sich schnell auch mal selbst verliert.
Und weiterhin:
Begib Dich aus der emotionalen Abhängigkeit, finde Dich wieder und mache Dinge außerhalb der Beziehung, die Dir Spaß machen, und die Du vielleicht sogar zugunsten der Beziehung aufgegeben hast. Das macht Dich unabhängiger und erdet Dich wieder.
Aus Gründen der besseren Lesbarkeit wurde beim Schreiben nur jeweils ein Geschlecht verwendet, die Phänomene treten jedoch bei Vertretern aller Geschlechter auf und sollen synonym verwendet werden.
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