Love-Scamming – eine besonders perfide Form der Missbrauchsbeziehung

Love-Scamming – eine besonders perfide Form der Missbrauchsbeziehung

Mit Kopfschütteln verfolgen wir die Berichte mit Überschriften wie „Vermeintlicher US-Offizier erleichtert 48Jährige um 25.000 €“, in denen berichtet wird, wie Menschen gutgläubig um ihr Erspartes und nicht selten Haus, Hof und den Familienbesitz gebracht werden.

Von einem Menschen, den sie noch nie im Leben gesehen haben. In diesen Reportagen wird dann von Banden mit Sitz z.B. in Afrika berichtet, die sich vor allem in den sozialen Medien auf der Suche nach einsamen Frauen oder Männern machen. Meist dauert es nicht lange, bis die Opfer sich wirklich verliebt fühlen, die vermeintliche Aufmerksamkeit – in der Regel in Form von Text- oder Sprachnachrichten, aber auch Telefonaten, genießen und dann wegen eines vermeintlichen Notfalls ihres Zukünftigen immer mehr Geld ins Ausland überweisen. Es sind schlimme, schier unglaubliche Geschichten von emotionaler Bedürftigkeit, die skrupellos ausgenutzt wird und die Opfer gebrochen und seelisch wie finanziell bankrott zurücklassen. Beim Leser entstehen schnell Gedanken in der Art wie: „Dummheit wird bestraft“, „Zum Glück bin ich wachsam genug, mir kann so etwas nicht passieren“. Und tatsächlich sind die genannten Fälle so offensichtlich, dass die meisten sie vermutlich schon im Ansatz erkennen und sich entweder gar nicht erst darauf einlassen oder recht schnell den Kontakt abbrechen.

Diese Verbrechen sind allerdings nur die Spitze des Eisbergs. Es gibt Täter, denen es nicht ums schnelle, große Geld geht und die sich wesentlich geschickter dabei anstellen, das Opfer in die Falle zu locken. Kleinkriminelle, die sich mit weniger oder langfristigem Profit zufriedengeben, dafür aber nicht so schnell auffallen. Es ist weniger ein Verbrechen als ein sadistisches Spiel, bei dem es um den Betrug an sich geht, um das Gefühl von Macht und vor allem, das Opfer „gekonnt“ ausgetrickst zu haben. So berichten Betroffene davon, den Täter jahrelang beherbergt zu haben, während dieser „plötzlich“ in die Arbeitslosigkeit oder Insolvenz gerutscht ist, jedoch keine Anstalten unternimmt, diesen Zustand zu ändern. Weitere Beispiele in meiner Praxis bezogen sich auf Täter, die vorhandene Kinder oder Tiere misshandelten oder Dinge entwendeten, während der/die Ausgenutzte die Wohnung verlassen hatte.

Allen ist gemeinsam, dass sie echte Gefühle heucheln, teilweise ein wirkliches Schauspiel veranstalten, aber in jedem Fall die Gutgläubigkeit für eigene, niedere Zwecke ausnutzen. Ein verbreiteter Irrtum ist hier, dass die Geschädigten sich sicher wähnen, da sie entweder kein Geld haben, um das sie betrogen werden könnten, oder aber ihrer Menschenkenntnis vertrauen.

 Die Gemeinheiten, die sie oft erst im Nachhinein als solche sehen, sind mitunter so abstrus, dass sie sie sich vorab nicht einmal vorstellen konnten. Und das ist der Grund, warum doch viele Frauen und Männer auf der Suche nach Liebe den Betrügern und Lügnern zum Opfer fallen.

Das notorische Lügen hat System

Wer früher als Heiratsschwindler bei „Aktenzeichen XY“, „Vorsicht Falle“ oder der lokalen und Regenbogenpresse auftauchte, ist heute eine oder zwei Nummern kleiner vor allem in sozialen Netzwerken und auf Dating-Apps unterwegs. Die Täter/innen erfinden zumeist eine Teil-Identität, die häufig von Wunschdenken und geringem Selbstwert geprägt ist. Ein Teil der Lebensumstände wird wahrheitsgemäß berichtet, jedoch mit erfundenen Selbstbeschreibungen oder tragischen Geschichten aufgepeppt. Jedenfalls sind psychopathische Züge sehr wahrscheinlich, denn an echtem Mitgefühl hapert es bei den Tätern.

Gelogen wird oft bereits mit den ersten Sätzen, die ausgetauscht werden, und sei es nur, dass es keine weiteren Kontakte in der Dating-App gebe. Die Täter gehen so in ihrer Rolle auf, dass die Lügen selbstverständlich und beiläufig über die Lippen gehen. Gleichzeitig umschwärmen sie das Opfer derart gekonnt, dass dieses wie eingelullt gewisse Unstimmigkeiten übersieht. Die Opfer fühlen sich „angekommen“, oft hört man sie von ihrem „Seelenverwandten“ sprechen. Dass dieser jedoch geschickt und berechnend die tiefsten Wünsche, Sehnsüchte und Bedürfnisse erfragt und anschließend bedient, fällt zu diesem Zeitpunkt der Beziehung nicht auf.

Und so geht das Lügen auch dann weiter, wird immer dreister, selbst wenn die Fakten längst offenkundig oder zumindest erahnbar geworden sind. Der/die Betrogene verschließt leider in diesem Stadium gern die Augen und Ohren, da er/sie sich nicht eingestehen möchte, so betrogen worden zu sein. Hinzu kommt bei vielen die Angst, allein zu sein.

Irgendwann kommt jedoch der Punkt, an dem auch der/die Gutgläubigste nicht mehr umhinkommt, sich einzugestehen, dass hier etwas nicht stimmt. Entweder ist der Täter nun schon mit dem nächsten Opfer auf Nimmerwiedersehen verschwunden, oder er hat sein Treiben so auf die Spitze getrieben, dass es auch mit der Kopf-in-den-Sand-Taktik nicht mehr zu übersehen ist.

Verbrannte Erde

Zurück bleibt ein Mensch, der den Glauben und das Vertrauen in andere Menschen, Beziehungen, Ehrlichkeit möglicherweise für immer verloren hat. Dazu kommt der Schaden, den es zu bewältigen gilt, welcher nicht immer „nur“ finanziell ist.

Das Opfer fühlt sich mitunter dauerhaft entwertet und psychisch vergewaltigt. Benutzt, getäuscht und weggeworfen. Depressionen, Angststörungen oder Beziehungsängste können die Folge sein. Besonders fatal ist auch der Glaube des /der Geschädigten, „selbst schuld“ oder sogar „ganz schön dumm“ zu sein, häufig verbunden mit einer großen Scham, welche in Folge dazu führt, dass der/die Betreffende sich Anderen nicht mitteilt oder Hilfe sucht. Und sich in Folge als stark isoliert erlebt.

Von den Betroffenenen wird durchgängig geschildert, sie hätten das Gespür für die Realität und für die eigene Wahrnehmung verloren. Sie hinterfragen sich ständig und suchen nicht selten die Schuld für das Scheitern der Beziehung und sogar für die erlittenen Misshandlungen bei sich – auch wenn der Betrug objektiv deutlich sichtbar ist. Letzteres wird nicht selten durch den misshandelnden Partner gefördert oder sogar bezweckt. Dieses Verhalten wird neudeutsch auch „gaslighting“, (nach dem Film „das Haus der Lady Alquist“ – „Gaslight“ im Original) und es bezeichnet eine Form des psychischen Missbrauchs.

„Ich hätte es früher merken müssen!“ oder ähnliche Gedanken sind für den Geschädigten eine dauerhafte Gedankenschleife, die sie noch zusätzlich quält.

Danach…
  • Um das Geschehene ohne langfristige Schäden zu verarbeiten, bedarf es der Objektivität und des Rückhalts von Freunden oder professionellen Helfern. Reden, sich öffnen, ist hier wirklich die halbe Miete!
  • Ganz wichtig: Kein Kontakt zum Täter! Auch wenn es schwerfällt. Aber sonst wirst Du nie fertig und begibst Dich in eine quälende Endlosschleife.
  • Einsehen, dass das jedem oder jeder hätte passieren können, da die Täter – ähnlich gewieften Trickdieben – das in sie gesetzte Vertrauen empathielos ausnutzen.
  • Wut ist erlaubt und sogar erwünscht und sorgt für die nötige innere Abgrenzung. Lasse Dich jedoch nicht dazu hinreißen, diese an der Person auszulassen. Das bringt Dich nicht weiter und womöglich sogar in Schwierigkeiten. Damit würdest Du Dich auch auf das Spiel einlassen und den Triumph möchtest Du ihm/ihr nicht gönnen. Anders sieht es aus, wenn tatsächlich materieller Schaden entstanden ist oder sogar der Tatbestand der Misshandlung vorliegt. Dann solltest Du Dir bei Opferberatungsstellen Hilfe holen (z.B. beim Weißen Ring) und die Tat(en) zur Anzeige bringen. Du sagst vielleicht: „Das bringt doch nichts mehr.“ Aber bedenke, dass Du damit möglicherweise zukünftige Opfer schützt (Du warst wahrscheinlich auch nicht das erste Opfer) und eine juristische Aufarbeitung Dir bei der zukünftigen inneren Abgrenzung hilft.

Solltest Du Dich in diesem Artikel wiedererkennen oder den Verdacht schöpfen, dass Du in einer Missbrauchsbeziehung steckst, bin ich gerne in einem kostenlosen Erstgespräch für Dich da!

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